Connecting Islands – Quirin Herterich's Sardegna highline project

Connecting Islands – Quirin Herterich's Sardegna highline project

Vorbereitungen vor Ort 

Wir reisen zwei Tage vor dem eigentlichen Projektbeginn an. Wir wollen die Umgebung möglichst gut kennenlernen, den Fels begutachten, die Wege und alle Abkürzungen kennen sowie einige Kletterrouten sichten. Der 133m hohe Mittelmeerfelsen ist freistehend vor der Küste von Masua und kann deshalb nur mit dem Boot erreicht werden. Seinen höchsten Punkt wollen wir über eine mehrseillängen Kletterroute erreichen.  

Es kommt immer anders, als man denkt 

Als erstes steht eine genaue Messung an. Mit einem Lasermessgerät messen wir die Länge der Line und werden böse überrascht: anstatt der bisher angenommenen 350- 400m, sind es satte 490m bis zum höchsten Punkt des Pan di Zucchero. Diese Tatsache stellt uns vor eine völlig neue Ausgangssituation. Unser Material reicht höchstens für eine Länge von 400m. Droht das Projekt nun zu scheitern? Wir lassen es nicht dazu kommen. Da eine Verkürzung der Linie für uns aus ästhetischen und sportlichen Gründen nicht in Frage kommt, besorgen wir uns kurzfristig weiteres Equipment in Cagliari. Damit sollte es klappen!

 

Die Verbindung steht 

Bei den Arbeiten an der Verbindung zwischen Festland und Pan die Zucchero wird der Wind stärker. Das bringt uns an unsere Grenzen. Trotzdem schaffen wir es, die Verbindung der beiden Ankerpunkte mit Hilfe einer Drohne und Angelschnur einzurichten. Mit diesem Schritt ist ein wesentlicher und heikler Meilenstein erledigt. Denn ohne die Verbindung mit Angelschnur ist die gesamte Highline nicht möglich. An diesem 0,2mm starken Faden hängt nun der Erfolg oder Misserfolg unseres Projekts. 

Der Kräfte raubende Aufbau 

Nach weiteren wetterbedingten Verzögerungen starten wir mit dem ersten Licht und sind überpünktlich vor Ort. Uns ist allen klar, dass wir Zeit gut machen müssen. Ein Teil des Teams transportiert das Equipment auf den Gipfel des Pan di Zucchero. Der Rest wartet auf der Festlandseite. Nach 1,5h Fußmarsch auf engen Pfaden und kleinen Kletterpassagen erreichen wir den Ankerpunkt und legen los: zunächst gilt es 500m Angelschnur aufzuwickeln. Dies ist ein unangenehmes Unterfangen, denn die Angelschnur ist lang und schneidet uns in die Handflächen. Doch der weitaus schwierigere Teil, nämlich die Slackline zu uns zu ziehen, folgt erst. Durch den starken böigen Wind wird das Slackline Setup immer wieder 30-50m Meter zur Seite getrieben. Schon ab der Hälfte können wir den durch den Wind auftretenden Kräften nicht mehr Stand halten, der Filmer muss ebenfalls helfen. Die Slackline verlangt uns alles ab, wir müssen mit aller Kraft ziehen - unsere Hände glühen. In den kurzen Verschnaufpausen kommen immer wieder Zweifel auf, ob wir es überhaupt schaffen die Line fertig aufzubauen; wir versuchen, uns gegenseitig bei Laune zu halten. Nach zwei schweißtreibenden Stunden ist endlich ein Ende in Sicht. Die Line ist zum Greifen nah. Mit großer Zuversicht ziehen wir auch die letzten Meter auf unsere Seite und verankern die Slackline erfolgreich auf der Festlandseite.  


 

Die Begehung  

Dann endlich sitze ich auf den ersten Metern der mächtigen Slackline. Immer noch weht ein böiger und starker Wind, der an mir und der Line zerrt. Wie gewohnt bei solchen Längen in Kombination mit Sturm führt die Slackline nicht geradeaus nach vorne, sondern beschreibt einen gewaltigen Bogen. 
Ich beginne mit meinem Lauf und damit, mir einen Eindruck von der Line zu verschaffen. Der starke Wind bringt mein T-Shirt immer wieder stark zum Flattern. Es ist schwer, unter diesen Bedingungen die Balance zu halten, doch schließlich erreiche ich mit drei Stürzen das andere Ende und fühle mich erschöpft, aber gut. Der Tag ist schon fortgeschritten und die Sonne wird bald untergehen; schnell mache ich mich bereit für den Rückweg.


„Ich will unbedingt JETZT und OHNE STURZ über diese Slackline laufen.“ -  „Sendingpressure“ nennen wir dieses Gefühl unter Slacklinern und ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich kombiniere Meditation mit einem gewissen Maß an „Scheiss-egal-Einstellung“. Und genau das kann ich jetzt gut gebrauchen. Nach einer kurzen Pause atme ich noch einmal tief ein und bereite mich auf den Rückweg vor. Ich nehme mir noch Zeit um auf die Welt um mich herum zu achten: Die Sonne geht langsam unter und taucht die Szenerie in ein perfektes Licht. Der starke Wind rauscht in meinen Ohren und schirmt alle Geräusche ab. Ich liebe dieses wilde Gefühl der Freiheit. Unter mir sind 130m Leere und dann die schwarz glitzernde Oberfläche des Mittelmeers. Niemand wird mir helfen können, falls ich mittig auf der Highline ein Problem bekommen sollte. Dieses bedingungslose Verlassen auf meinen Körper und meine Fähigkeiten auf der Highline reizt mich jedes Mal wenn ich eine Highline begehe. 

Ich stehe auf und mache mich auf den Weg. Nach den ersten Metern laufe ich in meinen mir bekannten Tunnel hinein, ich habe keinerlei Zeitgefühl mehr und fokussiere mich nur auf den nächsten Schritt. Den Blick ca. 30m vor mich auf die Line gerichtet, arbeite ich mich vorwärts. Der böige Wind fordert mich immer wieder zum Kampf heraus. Gegen Ende der Line reduziere ich mein Tempo und setze meine Füße noch bewusster auf die Slackline. Jetzt bloß keine Fehler mehr! Die letzten Schritte sind noch einmal eine große Herausforderung. Ich setze mich vorsichtig hin und breche in purer Freude aus. Geschafft! Ich habe das Monster mit all seinen Tücken bezwungen. 490m in 35 Minuten. Erst jetzt merke ich erstmals wie extrem ich meinen Körper wieder einmal an die Grenze getrieben habe. Beim Verlassen der Line fühle ich mich endlos leer – aber überglücklich. Die Sonne ist schon fast verschwunden. Ich bekomme nur noch wenig vom Abstieg des Pan di Zucchero sowie der Bootsfahrt mit, die Freude ist zu groß. 

 

*Der Dokumentarfilm „Connecting Islands“ erscheint im Sommer 2020.

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